Nachhaltig Konsumieren

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Das „Recht auf Reparatur“ im Zeitalter der Wegwerfgesellschaft

Geöffneter Laptop ohne Abdeckung und Tastatur mit dem Blick auf das Innenleben

Ein Umdenken in der Gesellschaft hin zu einem nachhaltigeren Konsum und wie dies möglicherweise erreicht werden kann – diese Problematik beschäftigt die Politik seit längerer Zeit und sorgt für reichlich Diskussionsstoff. Dabei geht es um ein Thema, das jeder kennt: Ein erworbener Gegenstand, beispielsweise ein Elektrogerät, geht kaputt und man fragt sich als Verbraucher „was nun?“. Hat der Hersteller eine Garantie gewährt oder fällt mein Fall unter das gesetzliche Gewährleistungsrecht? Und wenn nicht, werfe ich das Gerät weg oder versuche ich, den Defekt zu beheben?
Der Verbraucheralltag zeigt: Reparieren ist oft teuer oder aufwändig, der Neukauf dagegen schnell getätigt. Dennoch ist bei nicht Wenigen der Wunsch vorhanden, das Gerät zu reparieren und weiterhin zu nutzen. Dies zeigt nicht zuletzt eine aktuelle forsa-Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), bei der 89 Prozent der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher die Antwort gaben, die Einführung eines „Rechts auf Reparatur“ sei ihnen eher oder sehr wichtig.

Damit Verbraucherinnen und Verbraucher noch brauchbare Waren aber tatsächlich länger nutzen und eine Reparatur der Entsorgung vorziehen, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Es bedarf unkomplizierter und erschwinglicher Möglichkeiten, eine Reparatur durchführen zu lassen, eine verbesserte Rechtsposition der Verbraucherinnen und Verbraucher und als Grundvoraussetzung überhaupt reparierbare Produkte. Vor diesem Hintergrund ist auch die Wirtschaft angehalten, kreislauforientierter zu denken.

Das Recht auf Reparatur und die Richtlinie der EU

Häufig wird ein „Recht auf Reparatur“ gefordert. Hinter der Bezeichnung stecken gesetzgeberische Bestrebungen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine rechtliche Handhabe zu geben, eine Reparatur auch tatsächlich verlangen zu können – und das nicht nur im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung oder einer freiwillig gewährten Herstellergarantie.

Hier soll die Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren, die nach Monaten der Verhandlung auf europäischer Ebene im Sommer 2024 erlassen worden ist, in gewissem Maße Abhilfe schaffen. Anders als Verordnungen müssen EU-Richtlinien seitens der Mitgliedstaaten noch innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umgesetzt werden. Die Mitgliedstaaten, auch Deutschland, haben bis zum 31. Juli 2026 Zeit, entsprechende Gesetze zu verabschieden.

Ziel der Richtlinie

Ganz allgemein gesprochen soll die Richtlinie den grünen Wandel vorantreiben. Durch vermehrte Reparaturen sollen Abfall reduziert, Ressourcen geschont, der nachhaltige Konsum gefördert und damit Vorteile für Umwelt und Menschen erzielt werden. Die EU will einige Hindernisse beseitigen, die die Verbraucherinnen und Verbraucher aktuell noch davon abhalten könnten, sich für eine Reparatur zu entscheiden. Differenziert werden kann zwischen Änderungen im Rahmen des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts durch Modifikation der Warenkauf-Richtlinie und den neuen Bestimmungen der Richtlinie zur Reparatur von Waren außerhalb des Gewährleistungsrechts.

Regelungen innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung

Wer einen Kaufvertrag mit einem Unternehmer geschlossen und bei Übergabe eine mangelhafte Ware erhalten hat, kann gesetzliche Gewährleistungsrechte gegenüber dem Verkäufer geltend machen (mehr dazu bei „Gewährleistung und Garantie“ im Verbraucherportal BW). In einem ersten Schritt ist damit der Anspruch auf Nacherfüllung gemeint. Betroffene haben die Wahl zwischen Nachbesserung der mangelhaften Ware, also Mangelbeseitigung durch Reparatur, oder Lieferung einer mangelfreien Ware. Um die Nachbesserung im Rahmen der Haftung des Verkäufers zu fördern und einen Anreiz zu schaffen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sich für diese Variante der Nacherfüllung entscheiden, sieht die neue Richtlinie vor, den Zeitraum, in dem Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden können, zu verlängern. Im Fall der Nachbesserung einmal um 12 Monate bzw. sollen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Verjährungsfrist für Abhilfen im Fall einer Nachbesserung mindestens 3 Jahre beträgt.

Regelungen außerhalb der gesetzlichen Gewährleistung

Außerhalb der Haftung des Verkäufers im Rahmen des gesetzlichen Gewährleistungsrechts wird es nachstehend genannte Bestimmungen geben, die im Folgenden überblicksweise zusammengefasst werden:

Reparaturverpflichtung für Hersteller

Zentral ist die Regelung, nach der die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass der Hersteller einer Reparaturverpflichtung unterliegt. Geht ein Gerät kaputt und das gesetzliche Gewährleistungsrecht greift nicht (mehr), soll es Verbraucherinnen und Verbrauchern erleichtert und sie sollen dazu motiviert werden, das Gerät dennoch reparieren zu lassen. Allerdings ist zu beachten, dass die Verpflichtung nur unter dem Vorbehalt gilt, dass die Reparatur nicht unmöglich ist und sie zudem beschränkt ist auf die in Anhang II der Richtlinie genannten Waren, d. h. aktuell auf Haushaltswaschmaschinen und -trockner, Haushaltsgeschirrspüler, Kühlgeräte, Elektronische Displays, Schweißgeräte, Staubsauger, Server und Datenspeicherprodukte, Mobiltelefone, schnurlose Telefone und Slate-Tablets sowie Waren, die Batterien für leichte Verkehrsmittel enthalten. Für diese Waren existieren EU-Rechtsakte, die Anforderungen an die Reparierbarkeit enthalten. So werden beispielsweise Regelungen zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen und dem Zugang zu Reparaturinformationen getroffen. Diese bestimmen auch den Umfang der Reparaturverpflichtung mit. Die Liste kann mit der Zeit durch delegierte Rechtsakte der Kommission noch um weitere Produkte ergänzt werden. Die Reparatur soll entweder unentgeltlich oder zu einem angemessenen Preis und innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgen. Eine Ersatzware kann der Hersteller für die Reparaturdauer als Leihgabe zu Verfügung stellen, muss dies aber nicht.
 
Mit der Reparaturverpflichtung des Herstellers sollen darüber hinaus bestimmte Informationspflichten über die Reparaturdienstleistungen und deren Richtpreise einhergehen. Reparaturbehindernde oder gar abschreckende Maßnahmen seitens der Hersteller sollen unterbunden werden.
 
Für den Fall, dass der Hersteller seinen Sitz außerhalb der EU hat, sollen sich Verbraucherinnen und Verbraucher an einen in der Union niedergelassenen Wirtschaftsakteur wenden können. Die Richtlinie nennt hier gestaffelt den Bevollmächtigten des Herstellers, den Importeur oder in letzter Instanz den Vertreiber, der die Verpflichtung des Herstellers erfüllen soll.

Europäisches Formular für Reparaturinformationen

Die Richtlinie will generell den Zugang zu Reparaturdienstleistungen erleichtern und eine Entscheidung darüber erleichtern sowie bei der Wahl eines Reparaturbetriebs helfen. Darüber hinaus gibt es weitere Bestimmungen: Ein sogenanntes Europäisches Formular für Reparaturinformationen wurde entworfen, das Reparaturbetriebe ausfüllen und Verbraucherinnen und Verbrauchern vor Vertragsschluss übergeben können. Darin sind die wesentlichen Bedingungen der Reparatur zu finden, so unter anderem die zu reparierende Ware, die Art des Mangels und der Reparatur, der (Höchst-)Preis und die Dauer der Reparatur. Die standardisierte Darstellung soll Vergleichbarkeit schaffen und zudem Unternehmen die Einhaltung von vorvertraglichen Informationspflichten erleichtern. Das Formular soll grundsätzlich kostenlos zur Verfügung gestellt werden; im Fall einer erforderlichen Diagnosedienstleistung jedoch kostenpflichtig sein dürfen. Generell ist den Betrieben die Nutzung und Bereitstellung freigestellt.

Europäische Online-Plattform für Reparaturen

Ferner soll eine Europäische Online-Plattform für Reparaturen eingerichtet werden, auf der Verbraucherinnen und Verbrauchern passende Reparaturbetriebe, gegebenenfalls aber auch Verkäufer überholter Waren, Käufer fehlerhafter Waren zur Überholung oder von der lokalen Gemeinschaft getragene Reparaturinitiativen finden können. Frist hierfür ist der 31. Juli 2027.
Derzeit gibt es unter anderem folgende Angebote:

https://www.repaircafe.org/de/

https://www.reparatur-initiativen.de/

Die Richtlinie (EU) 2024/1799 als Teil eines Maßnahmenpakets der EU

Der Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2023 für die hier in Rede stehende Richtlinie geht auf den europäischen Grünen Deal (eine der Prioritäten der Europäischen Kommission 2019 – 2024) und sein Ziel eines nachhaltigen Verbrauchs zurück. Das „Recht auf Reparatur“ wurde im Anschluss im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und in der Neuen Verbraucheragenda angekündigt. Die Richtlinie ergänzt andere Instrumente, die dasselbe Ziel verfolgen. Auf der Angebotsseite fördert die Ökodesign-Verordnung (Verordnung (EU) 2024/1781) die Reparierbarkeit von Produkten in der Produktionsphase. Auf der Nachfrageseite ermöglicht die sogenannte Richtlinie hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (Richtlinie (EU) 2024/825) es den Verbraucherinnen und Verbrauchern, durch bessere Informationen über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit am Ort des Verkaufs fundierte Kaufentscheidungen zu treffen. Die oben beschriebene Richtlinie setzt nunmehr in der Nutzungsphase der Produkte an und fördert die Reparatur nach dem Kauf. Die drei EU-Rechtsakte decken somit zusammen den gesamten Lebenszyklus eines Produkts ab und ergänzen und verstärken einander.

Ausblick

CDU, CSU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode in Aussicht gestellt, den nachhaltigen Konsum zu erleichtern und dem Grundsatz „Reparieren statt Wegwerfen“ zu folgen. Im Einklang damit steht die Verpflichtung, die Richtlinie (EU) 2024/1799 in nationales Recht zu implementieren. Erst dann erhalten die angesprochenen Neuerungen Gültigkeit in Deutschland.
 
Es wird ein Anfang sein, um das Thema Nachhaltigkeit und Reparatur trotz der heutigen Möglichkeiten, günstig und schnell Neuware zu erwerben, weiter voranzutreiben. Der Weg hin zu einem bewussteren Umgang mit Ressourcen ist jedoch noch ein weiter.